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Die Hintergründe des Niederganges der deutschen Rundfunk- und Fernsehindustrie von Peter Zudeick (1990)

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Erhards Rezession und SABAs Ende

Schon 1961 war die Zeit extrem hoher Wachstumsraten vorbei. Zwar gab es immer mal wieder Jahre der Hochkonjunktur (wie 1964 und 1969), in denen das Bruttosozialpodukt um bis zu 7 Prozent stieg. Aber sonst war eine Steigerung von 3 bis 4 Prozent die Regel, das Wachstumstempo schwächte sich immer mehr ab. Mitte der 60er Jahre schienen die Tage des deutschen Writschaftswunders gezählt zu sein.

Die „Englische Krankheit" jetzt in Deutschland ???

Der Londoner „Economist" fragte im Oktober 1966, ob in der deutschen Wirtschaft nicht schon die „Englische Krankheit" grassiere. Die Symptome waren deutlich: drastischer Investitionsrückgang, Preisinflation, ungünstige Zahlungsbilanz. 1966 stieg die Industrieproduktion um matte 1,2 Prozent, das Bruttosozialprodukt wuchs nur um 2,9 Prozent - das geringste Wachstum seit der Währungsreform. Die Lebenshaltungskosten stiegen um 3,5 Prozent - die höchste Quote seit dem Korea-Krieg.

Der Wirtschafts-Professor machte Fehler

Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung - Ludwig Erhard (eigentlich der Experte für Wirtschaftsfragen) war seit 1963 Bundeskanzler - verschärfte die Krise noch. 1965, nach einem Jahr der Hochkonjunktur, senkte die Regierung die Steuern, versprach allerlei milde Gaben für Bauern, Kriegsopfer und andere Gruppen, weil Erhard im September 1965 die Bundestagswahlen gewinnen wollte. Aber die Wahlversprechungen in Höhe von insgesamt 6,5 Milliarden Mark heizten die Inflation an.

Wahlgeschenke konnten doch nicht verschenkt werden

Aufgrund der Konjunkturabschwächung gingen die Steuereinnahmen zurück, die Wahlgeschenke kamen dazu, der Bund mußte sich stärker verschulden als geplant. Die Zinsen waren hoch, denn die Bundesbank hatte zur Bekämpfung der Inflation den Diskontsatz erhöht. Schon im Dezember 1965 mußten in einem Haushaltssicherungsgesetz die Wahlgeschenke zum Teil wieder zurückgenommen werden.

Sparen, sparen, sparen

Bund, Länder und Gemeinden versuchten zu sparen, und setzten so auf einen finanzpolitischen Fehler den zweiten. Während des Aufschwungs hatte die öffentliche Hand das Geld aus allen Fenstern hinausgeworfen, als die Bundesbank mit der Inflationsbekämpfung begann, wurden die Staatsausgaben gedrosselt.

Der Dicke musste gehen - er ging freiwillig

Ludwig Erhard stürzte über diese hausgemachte Rezession. Im Dezember 1966 wurde die Große Koaltion gebildet, die allerdings die Flaute zunächst auch nicht stoppen konnte. Innerhalb von sechs Monaten stieg die Zahl der Arbeitslosen auf 300.000, im Frühsommer 1967 waren es 600.000. Die Produktion stagnierte, in Teilbereichen sank sie sogar, der Begriff des Null- oder Minus-Wachstums kam in Umlauf.

Erstmalig in Deutschland - die Große Koalition

Im Laufe des Jahres bekam die Große Koalition die Rezession allmählich in den Griff. Ein Beschäftigungsprogramm in Höhe von 2,5 Milliarden Mark mit Investitionen bei Bahn, Post, in Bildung und Forschung wurde aufgelegt, im Sommer 1967 folgte ein zweites in Höhe von 2,8 Milliarden Mark. Die „Talsohle" der Rezession war im Sommer 1967 durchschritten.

Rettungsanker GTE und die Japaner - Das Ende für SABA

Für SABA bedeutete die Rezession freilich das Ende des Familienunternehmens. Der Gesamtumsatz sank 1967 auf 141 Millionen Mark (1966: 161), das Unternehmen war endgültig nicht mehr wettbewerbsfähig. Die 85%-Beteiligung des US-Konzerns GTE war der Rettungsanker. Zwar glaubte Hermann Brunner-Schwer, mit dieser Aktion das Familienunternehmen gerettet zu haben, aber das stellte sich langfristig als Irrtum heraus. GTE war der Anfang vom Ende des Familienunternehmens SABA.

Es gab bereits warnende Beispiele - z.B. Kuba Imperial

Diesen Weg waren andere Unternehmen der Branche schon vorher gegangen. 1966 verkaufte Gerhard Kubetschek die Firma Kuba Imperial mit 4.000 Beschäftigten für 60 Millionen Mark an General Electric. Mit 220 Millionen Jahresumsatz hatte Kuba Imperial an dritter Stelle auf dem bundesdeutschen Markt gelegen, aber Rezession und Konkurrenzdruck ließen ihn den Weg des geringeren Widerstands wählen. Zunächst war Kubetschek noch Generaldirektor, nach sieben Monaten warf er das Handtuch und zog sich ins Privatleben zurück.

Die Frankfurter Braun AG

Im Dezember 1967 verkauften die Brüder Arthur und Erwin Braun ihre Mehrheitsanteile an der Frankfurter Braun AG an den US-Rasierklingen-Konzern Gillette für 200 Millionen Mark. Sie ließen sich erst gar nicht als Angestellte der ehemals eigenen Firma anheuern, sondern gingen gleich in Pension.

Gillette war ausschließlich am Elektrorasierer-Geschäft interessiert. Obwohl Braun im Rundfunkgeschäft einen guten Namen hatte und im Geräte-Design stets ganz vorne lag und zahlreiche Auszeichnungen erhielt, hatten die Konzern-Herren keine Lust, Gewinne aus dem Massengeschäft mit Rasierern in die Entwicklung von Rundfunkgeräten zu stecken.

Technisch gerieten die Braun-Produkte immer mehr ins Mittelmaß, die Abteilung Rundfunk fuhr Jahr für Jahr Verluste ein. Ende 1990 verabschiedet sich Braun aus dem Rundfunkgeschäft.

Anmerkung : Das oben Ausgeführte über BRAUN stimmt leider überhaupt nicht.

Insbesondere bei BRAUN hat sich bei genauerer Recherche ein ganz anderes Bild ergeben.
Der Gillette Chef Vicent Ziegler von 1967 wußte ganz genau, was er da kaufte und er kannte auch die Hifi-Sparte von BRAUN. Denn er sprach fließend Deutsch und war von dem Erfolg der Hifi-Geräte überzeugt.

Doch die Produkte entwickelten sich nicht so, wie es die Amerikaner erwartet hatten. Zusätzlich gab er "den Hifi-Leuten" 10 lange Jahre Zeit, endlich schwarze Zahlen zu schreiben. Wenn das kein - für einen Amerikaner - extrem großzügiges Entgegenkommen ist oder war ? Zumindest für waschechte Amerikaner war das sehr ungewöhnlich. Sie - die Hifi-Menschen bei BRAUN - floppten aber.

Dann ging Ziegler in Rente und dann kam ein richtiger waschechter Amerikaner dran - ohne Deutschkenntnisse natürlich -, CEO Mockler, ein Zahlenmensch. Mehr steht auf der BRAUN Seite im Hifi-Museum.

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Auch bei SABA hatten die Amerikaner das Sagen

Hermann Brunner-Schwer glaubte, das alles besser machen zu können, verkannte aber sicher eines: Auch sein US-Partner GTE hatte vor allem das Interesse, die eigene Produktpalette zu erweitern, ein Bein in den europäischen Markt zu bekommen und einen sicheren Abnehmer für die Fernsehröhren seiner belgischen Tochter Sylvania zu bekommen, deren zeitweilige schlechte Qualität Anfang der 70er Jahre für weitere Turbulenzen im SABA-Fernsehgeschäft sorgte.

Am Erhalt eines Schwarzwälder Familienunternehmens jedenfalls waren die GTE- Manager nicht interessiert, auch wenn das für die SABA-Leute zunächst so aussah. Das zeigte sich ganz deutlich, als Hermann Brunner-Schwer im Sommer 1975 endgültig ausgebootet wurde, es zeigte sich noch deutlicher, als GTE im Jahre 1980 SABA aufgab.

Anmerkung : Das ist völlig richtig. Zuerst kommt der Erhalt des Eigentümers einer Tochterfirma - also der Muttergesellschaft - und im Ausland sowieso. Das machen die Deutschen Großunternehmen absolut genauso - siehe Opel in Spanien und Portugal, Grundig damals in England und Portugal - und VW mit seinen weltweiten Zulieferern auch.

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Konzerninterne Gründe - nein - große Probleme in USA !!

Das hatte vor allem konzerninterne Gründe: Im Zuge einer Konzern-Umgestaltung ist die Unterhaltungselektronik für GTE nicht mehr attraktiv, zudem geht das „return of investment" im europäischen Geschäft nicht schnell genug. Der Bedarf an Rückstellungen und Wertberichtigungen ist in der Unterhaltungselektronik außerhalb des US-Marktes unverhältnismäßig groß, er beträgt im ersten Quartal 1980 rund 85 Millionen Dollar, und das ist für die GTE-Finanzpolitiker ein zu großer Brocken, zumal die Inflation in den USA zusätzlich Sorgen macht. Also wird SABA abgestoßen und an den Meistbietenden verkauft.
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Anmerkung :

Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Die Amerikaner insgesamt haben den "(virtuellen) Einmarsch der Japaner" (das waren ja immer noch die armen Kriegsverlierer neben den bösen Deutschen) völlig verpennt oder dazu auch noch überheblich ignoriert. Das machte fast der gesamten amerikanischen Rundfunk- und Fernseh- Industrie den Garaus.

Dann hatte sich Sylvania und damit GTE in einem ab 1972
völlig überladenen US Hifi-Markt mit Energie und Kraft auf den vermeintlich ganz neuen lukrativen (analogen) QUADRO Markt geworfen und sich dabei kräftigst verhoben. Einen Blick auf die (absolut unerfolgreichen) Quadro-Geräte von Sylvania bekommen sie hier.

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Und dann kam Thomson-Brandt - der "Retter" in der Not

Das ist der französische (Staats-) Multi Thomson-Brandt. Der hatte schon 1978 Nordmende in Bremen übernommen, gehörte (vermeintlich) zu den Giganten der europäischen Unterhaltungselektronik, lag in Frankreich bei den Elektro- Unternehmen auf dem zweiten Platz, Umsatz und Gewinne waren (oberflächlich oder vermeintlich) gut, die Auftragslage bislang vielversprechend. Auch SABA war aus den Turbulenzen der frühen 70er Jahre heraus - 1978 gab es 20 Millionen Mark Gewinn -, allerdings um den Preis von Entlassungen im Werk Fiedrichshafen und von Kurzarbeit und Produktionsein- schränkungen.
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Nach wie vor - miserable Qualität aus Belgien

Das Radiogeschäft lief nicht mehr so recht, und die Ausfallquoten der Bildröhren aus Belgien lagen nach wie vor über dem Durchschnitt.

Dann nehmen wir eben Telefunken Röhren

Das freilich war für Thomson-Brandt kein Problem. Der französische Konzern war am AEG- Bildröhren-Werk in Ulm beteiligt, brauchte sich also um die Sylvania-Röhren aus Belgien keine Sorgen (mehr) zu machen. - Wann das Sylvania Werk in Belgien dicht gemacht wurde, ist im Moment nicht bekannt, wird aber noch ergänzt. - Mit SABA wurde Thomson-Brandt zu dieser Zeit zu einem der größten Anbieter Europas in der Unterhaltungselektronik mit einer Jahresproduktion von über 1,5 Millionen Farbfernsehgeräten und rund 130.000 Beschäftigten.
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Der Markt war aber bereits am völligen Einbrechen

Allerdings hatte Thomson-Brandt den Ruf eines Jobkillers, vor allem nach der Übernahme von Nordmende. Diesem Ruf wurde der Konzern auch bei SABA bald gerecht. Nach der Übernahme der Firma für eine geschätzte Kaufsumme von 500 Millionen Mark wird das Werk Friedrichshafen geschlossen, bis Mitte 1981 ist die Gesamtbelegschaft auf 2.000 Mitarbeiter geschrumpft, die Fertigung wird weiter automatisiert und modernisiert, bis Ende 1981 werden noch einmal 350 Mitarbeiter entlassen.

Anmerkung : Grundig hatte zu der Zeit in Wien eine gigantische Fernsehgeräte-Fabrik hingestellt. Grundig konnte dort pro Jahr über 2,2 Millionen Farbfernseher bauen. Die Marketing-Experten fanden jedoch bald heraus, daß der Markt nicht mal mehr 1,3 Millionen Stück aufnehmen konnte, und zwar von allen Herstellern Europas zusammen.

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Und dann wurden die deutschen Teile zerstückelt

Die Firma wird dreigeteilt: Die Schwarzwälder Elektronik-Werke (SEW) bauen nur Geräte-Chassis, die werden nach Bremen gekarrt und dort zu SABA- und Nordmende-Geräten zusammengebaut. SABA selbst macht nur noch den Vertrieb (rund 600 Mitarbeiter), die Deutsche Thomson-Brandt mit rund 100 Beschäftigten ist für Forschung und Entwicklung verantwortlich.

Größenwahn : Mit Staatsgeld einen Weltkonzern formen

Hi-Fi-Geräte, Video-Recorder und Video-Kameras werden zugekauft. 1982 übernimmt Thomson-Brandt auch Dual und hat damit die Plattenspieler-Produktion im eigenen Haus. Schließlich schluckt der französische Multi auch noch die traditionsreiche (aber marode) Firma Telefunken. Damit hatte Thomson-Brandt Anfang der 80er Jahre ein Potential deutscher Markenfirmen zusammengekauft - Nordmende, SABA, Dual, Telefunken -, mit dem eine leistungsfähige Konkurrenz zum Giganten Philips aufgebaut werden wollte. Freilich ist Thomson vorwiegend an den bestehenden Vertriebsapparaten und den klangvollen Namen interessiert, die Firmen selbst überdauern den Eigentümerwechsel in aller Regel nur ein paar Jahre. Bei Nordmende wurde von vornherein nur der Name übernommen. Das Werk wurde an Leitende Angestellte verkauft und mit Hilfe des Bremer Senats auf die Produktion von Kunststoff-Teilen umstrukturiert.

Überall bei Thomson wurde nur noch geflickt . . .

Das Ulmer Bildröhrenwerk Videocolor blieb ganze zwei Jahre erhalten, dann standen 1.700 Leute auf der Straße. Die Farbbildröhrenfertigung wurde auf Frankreich und Italien verteilt, später ganz auf Italien konzentriert. Das Interesse der Franzosen an Dual dauerte immerhin fünf Jahre. 1987 waren von rund 1.500 Mitarbeitern des einst größten Plattenspieler-Herstellers in Europa noch ganze 140 übriggeblieben, die bis zum Schluß konventionelle Rundfunkgeräte zusammenbastelten. Zukunftsträchtige Produktionen wie die von CD-Spielern verlegte Thomson-Brandt nach Singapur.

Die Konkurenz erfolgreich - wenn auch ungewollt - dezimiert

Als Thomson kam, waren in den fünf genannten deutschen Werken rund 17.000 Menschen beschäftigt, Ende 1987 waren es nicht einmal mehr 6.500, Tendenz fallend. Der einzige Produktionszweig, der in Deutschland geblieben war, waren Fernsehgeräte. Alles andere, das unter den Markennamen SABA, Nordmende, Dual und Telefunken verkauft wird, ist ausländische Produktion.

Der Niedergang diese Konklumerates war vorprogrammiert

Freilich zeigte sich bald, daß diese Methode der Unternehmensführung gar nicht so erfolgreich war, wie zunächst angenommen. Auf dem Fernsehgerätemarkt hatte Thomson-Brandt mit SABA, Nordmende und Telefunken anfangs noch 30%, 1987 weniger als 20%. Die Produktions- und Marketingkonzepte wechselten ständig, die Händler sprangen allmählich ab, weil sie merkten, daß sie nur noch Marken-Namen, aber keine Qualität mehr geliefert bekamen.

Wieder ein Tropfen Hoffnung

1987 kommt man daher im SABA-Bereich auf eine ganz famose Idee: Die Vertriebsbindung wird neu erfunden, SABA schwört dem Massenmarkt ab, wie der Geschäftsführer stolz verkündet, und wendet sich seiner traditionellen Stellung als „Qualitätslieferant" zu.

Das Wort „Qualitätsproduzent" wird in diesem Zusammenhang sorgsam vermieden, denn an der Massenproduktion ändert sich wenig, nur in Teilbereichen steht der Name SABA für eigene technische Standards. Von 1987 an beliefert SABA nur mehr 1.600 Direktkunden und rund 8.000 Facheinzelhändler, die über den Großhandelt betreut werden - ein Kunstgriff, der auch diesmal funktioniert und die Marktanteile allmählich wieder in die Höhe bringt.

Ein Familien-Nachwort

Es war ein schöner Sommerabend im Jahr 1975. Ich weiß noch genau, wie die Sonne rosarot hinter den Hügeln auf der anderen Seite des Rheins unterging. Ich saß im großen Wohnraum des Hauses in Stein am Rhein und schaute durch die riesigen Fenster hinaus. Ich wartete auf meinen Vater. Ich wartete auf ihn mit Schmetterlingen im Bauch. Als er sich am Morgen von mir verabschiedet hatte, war er ganz grau gewesen im Gesicht und hatte gesagt:

  • „Heute wird sich entscheiden, ob ich SABA ganz verlassen werde."


Dann war er in sein Auto gestiegen, um nach Zürich ins GTE-Büro zu fahren: der letzte, der alles entscheidende Termin.

Als ich den Schlüssel im Türschloß hörte, ging ich ihm entgegen. Mein Vater sah entsetzlich aus. Sein Gesicht war aschfahl, die Augen gerötet, um sie herum tiefe dunkle Ringe. Er ließ die Tür zufallen und lehnte sich dagegen. Ich nahm ihn in die Arme und drückte ihn so fest ich konnte. Nach einer Weile fragte ich:
„Und?" Er trat einen Schritt zurück und blickte mir in die Augen:
„Ich habe SABA verkauft und den Amerikanern meinen Rücktritt erklärt."

Und ich sagte spontan, ohne nachzudenken:
„Gott sei Dank!" Diese Reaktion muß einen solchen Eindruck auf ihn gemacht haben, daß er später Freunden gegenüber immer wieder davon erzählt hat.

Wir gingen durch die Eingangshalle in den Wohnraum zur kleinen Bar, wo ich ihm einen (mindestens sechsfachen) Whisky einschenkte.

Wir setzten uns in die Nähe der großen Fenster und er fragte mich, immer noch erstaunt:
„Du findest das also gut? Meinst Du, ich hab' es richtig gemacht?" Und ich erklärte ihm, daß mir in diesem Moment ein Stein vom Herzen gefallen war. Weil es die einzig richtige Entscheidung war. Und weil seine Qual endlich ein Ende haben sollte.

Mein Vater hatte sich in den zurückliegenden Monaten physisch und psychisch an den Rand des Zusammenbruchs manövriert, in der verzweifelten Anstrengung, die Intrigen gegen ihn zu bekämpfen und bei SABA noch zu retten, was zu retten war. Es war eine Belastung gewesen, die er körperlich bestimmt nicht länger hätte aushalten können. Denn die Last lag nicht nur in den Firmenproblemen. Die Last kam auch durch sein immens starkes Verantwortungsgefühl der Familie, vor allem seiner Mutter gegenüber.

Er hatte das Unternehmen geerbt und nun sah er es unter seiner Führung zusammenbrechen. Ob er etwas dafür konnte oder nicht, das stand für ihn nicht zur Debatte. Er sah nur, daß er versagt hatte. Und daß er SABA und damit irgendwo auch seine Mutter im Stich ließ.

Glücklicherweise reagierte meine Großmutter ähnlich wie ich. Sie akzeptierte voll und ganz seine Entscheidung, das ehemalige Familienunternehmen zu verlassen. Und ich glaube, daß sie damals tief drinnen ähnlich empfand wie ich: Gott sei Dank, die Qual hat ein Ende.

Wir waren innerhalb kurzer Zeit ziemlich betrunken, an diesem Sommerabend im Jahr 1975. Ich rief noch ein paar Freunde an, die sofort kamen und uns halfen, die Bar leer zu machen. Es wurde beinahe eine Party daraus, und ich betäubte meinen Vater mit immer mehr Whisky. Es schien mir die einzige Möglichkeit, die Verzweiflung aus seinen Augen zu verscheuchen.

Wir redeten über alles, nur nicht über SABA in dieser Nacht und irgendwann in der Frühe brachte ich ihn ins Bett. Und trotz des riesigen Katers am nächsten Morgen schien es ihm ein winziges, winziges Stück besser zu gehen.

Ich werde diese Nacht nie vergessen.
Kathrin Brunner-Schwer





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Literatur

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Westdeutschland 1945-1949. Stuttgart 1977 Arnold, Bernd-Peter/Verres, Hans: Radio. Macher, Mechanismen, Mission.
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ders., Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Bern 1911

Bildnachweis
Archiv Herbert Schroff: SABA-Bilder
Heiner Flaig, Villingen. Zeitgeschehen in Bildern: S. 61, 97, 100, 103, 113,140
Süddeutscher Verlag: S. 153,155,157, 197
Ullstein: S. 160, 165
Archiv für Kunst und Geschichte: Berlin: S. 151
Erich Andres: S. 150
Gerhard Gronefeld: S. 200 333
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