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Teil 2 - Hermann Brunner-Schwer erzählt in der "Ich"-Form:

Und er erzählt natürlich die historischen Gegebenheiten aus seiner (SABA-) Sicht und mit seinem Wissen. In die einzelnen Geschichten werden jetzt eine Menge zusätzlicher Informationen aus anderen großen Werken glaubwürdiger Autoren eingebaut.

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Strampeln gegen die Krise

Die Anzeichen für die Krisenanfälligkeit der Branche wurden Ende der 50er immer deutlicher. Die neue SABA-Geschäftsführurig versucht es mit einem Trick: Die eigene Hochpreispolitik soll durch ein spezielles Vertriebssystem stabilisiert werden.

Nach der Aufhebung der Preisbindung 1965 für Radio- und Fernsehgeräte unterboten sich die Händler gegenseitig bei den Endpreisen, ihre Gewinnspannen schmolzen weg mit der Folge, daß sie lustlos reagierten.

SABA will den anderen Weg gehen - die Vertriebsreform

Diese Entwicklung wollte SABA stoppen. Das Prinzip: Nur noch eine auserlesene Schar von Groß- und Einzelhändlern wird beliefert. Am 18. Mai 1962 tritt die SABA-Vertriebsreform in Kraft, nach der nur noch 130 Grossisten und 9.000 Einzelhändler in den „Genuß" von SABA-Produkten kommen. Insgesamt gibt es in Deutschland West rund 500 Groß- und 20.000 Einzelhändler.

Die Liefersperre über Kaufhäuser usw.

Schon Monate vorher hatte SABA eine totale Liefersperre über Kaufhäuser wie Karstadt, Kaufhof, Hertie und Horten verhängt, auch alle übrigen Warenhäuser, Möbelgeschäfte und Discounter werden von SABA blockiert. Der „Spiegel" schreibt im Oktober 1962: „Die Einkaufschefs der größten westdeutschen Warenhauskonzerne laufen gegenwärtig bei kleinen Rundfunk- und Fernsehgerätehändlern herum, um sich heimlich Erzeugnisse der Firma SABA zu verschaffen."

Ein extrem harter und teurer Kampf

Aber SABA-Detektive gehen durch die Kaufhäuser, und wenn sie SABA-Geräte entdecken, fahnden sie nach dem Lieferanten, und der fliegt aus dem exklusiven Vertriebsklub raus. Zwei Düsseldorfer Einzelhändler trifft der Bannstrahl von „Sabas Macht" („Spiegel"), sie hatten das Kaufhaus „Horten" beliefert.

Die Kaufhäuser sind alarmiert, Kaufhof-Vorstandsmitglied Fritz Roesch klagt: „In einem Warenhaus muß das Angebot vollständig sein. Wegen unserer Sortimentspolitik können wir nicht auf Saba verzichten. Es geht nicht an, daß wir Kunden, die bei uns nach Saba-Geräten fragen, an den Einzelhandel verweisen."

Die vier großen Warenhäuser schicken Fritz Roesch in den Schwarzwald, er soll mit Saba verhandeln, wird aber nach Hause geschickt. „Wir fühlen uns echt diskriminiert. Man hat uns den Stuhl vor die Tür gesetzt", meint Roesch und droht: „Wir werden uns auch weiterhin Saba beschaffen, egal woher."

SABA gewinnt - aber ob es klug war ?

Aber das nützt alles nichts, SABA setzt sich mit seiner Vertriebsbindung durch. Auch das Kartellamt kann gegen diese Masche, die gegen alle Gesetze der Marktwirtschaft verstößt, nichts machen. Zwar ist die SABA-Vertriebsbindung faktisch eine Preisbindung, wäre also verboten. Aber die Schwarzwälder können sich auf die Position zurückziehen, daß die Richtpreise nur Empfehlungen sind.

Wenn ein Groß- oder Einzelhändler unter diesen Richtpreisen bleibt, fliegt er zwar aus dem SABA-Klub raus, aber im Wettbewerbsrecht gibt es keine Vorschriften gegen Vertriebsbindung. Auch nicht gegen Belohnungen für Wohlverhalten. Wer sich nämlich an die SABA-Preise hält, erzielt Gewinnspannen bis zu 34 Prozent.

Mit diesem System kann SABA eine starke Position auf dem Markt behaupten und für eine gewisse Zeit tatsächlich dem Gesetz der Massenserien und der kleinen Preise entrinnen.

Und wieder macht SABA es in etwa wie Grundig

Eine Emnid-Umfrage vom Mai 1962 ergibt, daß SABA bei Radiogeräten über 300 Mark die beliebteste Marke ist, bei Fernsehgeräten hinter Nordmende an zweiter Stelle liegt. Zudem macht die Vertriebsbindung eine gewisse Produktionsplanung möglich.

Wegen der Saisonabhängigkeit haben Rundfunkhersteller normalerweise vor Beginn des neuen Produktionsjahres keine Übersicht, der Handel bestellt, wie das Geschäft gerade läuft.

Bei SABA müssen die Händler nun ein bestimmtes Kontingent beim Werk bestellen und in regelmäßigen Abständen in Villingen abrufen. Während die anderen Hersteller lange Zahlungsziele einräumen und so ihre Abnehmer finanzieren, macht SABA direkt Kasse. Auf diese Weise will die Firma sich von Bankschulden freihalten, denn das kleine Stammkapital von 10 Millionen Mark gibt nicht viel Bewegungsfreiheit.

Anmerkung : Max Grundig hatte nur wenige Großhändler - und solange die spurten, machten sie gute Gewinne. Aber wehe, einer scherte aus, er wurde sofort gefeuert, selbst wenn es einer aus der Familie war - und das waren sogar mehrere. Und Grundig bestimmte immer selbst, wer wieviele Geräte zu kaufen und auch sofort zu bezahlen hatte.

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Alle bringen massenweise billige Geräte auf den Markt

Aber auch die Vertriebsreform kann SABA nicht auf lange Zeit vor den Schwierigkeiten des Marktes schützen. Die Überproduktion auf dem Rundfunkmarkt und die wachsende Konkurrenz aus dem Ausland bringen einen immer rascheren Preisverfall. Die Rundfunkindustrie ist gezwungen, massenweise billige Geräte auf den Markt zu bringen. Langfristig läßt sich eine Preispolitik, die für hohen technischen Standard hohe Preise fordert, nicht halten.

Der Fernsehapparat ist das Produkt und der Goldesel

Längst hat der Fernsehapparat die Repräsentationsfunktion übernommen, die früher das gediegene Radiotischgerät oder die Musiktruhe hatten. Der Fernsehmarkt entwickelt sich denn auch anhaltend gut, während das Rundfunkgeschäft stagniert und nur noch durch rentables Mengengeschäft zu halten ist.

Die Versäumnisse der Vergangenheit

SABA hat diesen Anschluß schon Mitte der 50er Jahre verpaßt, der Erfolg der Vertriebsreform hat die strukturellen Probleme nur zugekleistert bzw. vertuscht.

Keine Konsequenzen

Das weiß die Unternehmensführung zwar, aber sie zieht daraus keine Konsequenzen. In den 60er Jahren beschreibt Hermann Brunner-Schwer in vertraulichen Memoranden Jahr für Jahr die prekäre Lage und kommt jeweils zu dem Ergebnis, daß es kaum möglich ist, „die wirtschaftliche Basis unseres Unternehmens auf längere Sicht zu gewährleisten".

Ein Ausweg wäre der Rückzug in eine Marktnische.

Die Firma Wega ist diesen Weg gegangen, bis Sony das Familienunternehmen schluckte. Braun ging einen ähnlichen Weg und wurde vom US-Konzern Gillette aufgekauft, und zwar nicht wegen des anerkannt guten Radio-Designs, sondern wegen der Marktstellung bei Elektrorasierern. Das war eine Richtung, die SABA nicht paßte.

Die andere Möglichkeit wäre Expansion gewesen

Das Unternehmen ist zur Größe verdammt, weil der Markt es so will. „Weil dazu die Aufnahme langfristigen Fremdkapitals unumgänglich ist, führt dieser Weg zwangsläufig zum Ende des unabhängigen Familienunternehmens", schreibt Hermann Brunner-Schwer.

Die Krise kam 1962 - unvorbereitet

Die Krise 1962 erwischte SABA nahezu unvorbereitet: „SABA versäumte es in den Jahren zuvor, sich dem Strukturwandel des Marktes anzupassen, produzierte eine zu teure Ware für einen indifferent gewordenen Markt und war dabei, sich selbst aus dem immer dynamischer werdenden Wettbewerb herauszumanövrieren." (Memorandum der Geschäftsleitung 1966)

Umsatzsteigerung durch die neue Vertriebsreform

Zwar brachte die Vertriebsreform eine Erholung: 1965 machte SABA 155 Millionen Mark Umsatz, 1962 waren es 118 Millionen gewesen. Aber die Probleme bei Rundfunkgeräten setzten sich auf dem Fernsehmarkt fort. Schwarz-Weiß-Geräte waren immer schwieriger abzusetzen, weil der Markt mit einer ungeheuren Überproduktion überflutet war. Nur um den Status quo zu halten, muß die Produktion immer mehr ausgeweitet werden. Ausweichen auf andere Produkte war kaum noch möglich, weil die Konkurrenz hier schneller gewesen war. Für SABA bleiben gerade noch elektronische Tischrechner, aber auch auf diesem Gebiet geht es nicht so recht weiter.

Farbfernsehen - die Hoffnung in einem stagnierenden Markt

Man hofft also auf das Farbfernsehen: „Es kann mit Sicherheit angenommen werden, daß dieses Erzeugnis eines Tages zu einer Renaissance des Fernsehgerätegeschäfts führen wird und uns auf Jahre hinaus beachtliche Umsätze mit zufriedenstellenden Deckungsbeträgen sichern wird." So schreibt Hermann Brunner-Schwer in einem vertraulichen Memorandum Anfang 1966. Er sieht allerdings auch, daß die Durststrecke bis dahin tödlich sein kann.

Die SABA Vertriebs-Aktiengesellschaft solls richten

Die einzig sinnvolle Maßnahme für die Unternehmensleitung ist in dieser Situation die noch engere Anbindung der Händler an die Firma. Die Grossisten werden an SABA beteiligt, eine Vertriebs-Aktiengesellschaft wird gegründet, die von SABA mit einer Sperrminorität kontrolliert wird.

Die Vertragsgroßhändler sind an dieser Gesellschaft per Anteilsschein als echte Aktionäre beteiligt. Aber auch das ist kaum mehr als Kosmetik. Das weiß Hermann Brunner-Schwer. Er sucht nach einem Ausweg, und da kommen ihm die Beteiligungs-Wünsche großer Konkurrenten gar nicht so ungelegen.

Es geht weiter mit Hermann Brunner-Schwers Erzählungen

Teil 1 - Hermann Brunner-Schwer erzählt in der "Ich"-Form:

Und er erzählt natürlich die historischen Gegebenheiten aus seiner (SABA-) Sicht und mit seinem Wissen. In die einzelnen Geschichten werden jetzt eine Menge zusätzlicher Informationen aus anderen großen Werken glaubwürdiger Autoren eingebaut.

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Eine ehrliche Standortbestimmung für SABA

Die Umarmungsversuche der SABA-Konkurrenten rissen nicht ab. Ich ließ mich aber auf keinen weiteren Flirt mehr ein. Stattdessen setzte ich mich mit Alfred Liebetrau zusammen. Wir stellten uns die Aufgabe, den Standort des Unternehmens so ungeschminkt und realistisch wie möglich zu bestimmen. Als das Ergebnis dieser Untersuchung vorlag, erarbeiteten wir eine langfristige Planung mit dem Ziel, SABAs noch verbleibende Lebenserwartung als selbständiges Familienunternehmen zu verlängern. Eine überaus schwierige Aufgabe, weil trotz vieler vorhandener Daten eine verbindliche Vorhersage des Konjunkturverlaufs dem Blick in die Kristallkugel glich.

Ergebnis - Wir müssen investieren - ins Farbfernsehen

Immerhin, eines wußten wir. Der Beginn des Farbfernsehens würde der Branche noch einmal kräftig auf die Beine helfen. Vorausgesetzt, daß SABA ein guter Start in dieses vielversprechende Geschäft gelänge, könnten auch wir von einer neuen Nachfrage und deren sieben bis acht Jahre dauernden Schubkraft profitieren. Dieser Zeitraum ließe uns dann genügend Spielraum für eine Diversifikation, also für die Entwicklung neuer Produkte außerhalb der Unterhaltungselektronik. Das war die weitgefaßte Perspektive. Das kurzfristige Problem aber lag in der Frage, wie die vor der farbigen Ära liegende, immer kritischer werdende Phase überbrückt werden kann.

Die Schreckensvision: Das rettende Ufer in unerreichbarer Ferne

Wie auch immer, eins war so sicher wie das Amen in der Kirche: gelänge es nicht, das Unternehmen vom Strudel der auf dem Markt um sich greifenden Anarchie fernzuhalten, läge das rettende Ufer in unerreichbarer Ferne. Doch auch SABA mußte mehr Umsatz machen. Obwohl wir rationalisierten, wo wir nur konnten, die Fertigungstiefe verringerten und bisher in eigener Regie produzierte Standardteile zu billigeren Preisen von auswärts bezogen, diese Einsparungen wurden zum größten Teil von ständig steigenden Lohn- und Materialkosten wieder aufgefressen.

Völlig illusorisch, die Preise anzuheben.

Im Gegenteil, der Preistrend zeigte weiter nach unten, und das, obwohl mehr und mehr technischer Aufwand in die Geräte gesteckt wurde. Während die Preise für technische Gebrauchsgüter auf breiter Front in die Höhe gingen, leisteten sich die Rundfunk- und Fernsehfabrikanten genau das Gegenteil. Statt das Preisniveau durch eine Drosselung des Ausstoßes zu stabilisieren, blieb man weiter auf dem Gaspedal und wartete auf den Crash des Konkurrenten.

Gezwungen, aufs Gaspedal zu treten

Mehr Umsatz für SABA hieß letztendlich aber nichts anderes, als daß wir uns zu einem Wachstum verdammt sahen, das wir gar nicht wollten. Wie aber war so etwas zu bewerkstelligen, ohne aus der Kurve getragen zu werden, ohne nicht sofort an die von den Hausbanken festgeschriebenen Kredit-Limite zu stoßen?

Die Antwort auf diese Frage :

Ich fand die Antwort auf diese Frage in der Wiederherstellung eines geordneten Absatzes für SABA-Erzeugnisse durch eine konsequent gehandhabte Partnerschaft mit dem Fachgroß- und Einzelhandel. Zwei einfache Überlegungen lagen diesem von vielen Kritikern als tödlicher Alleingang verurteilten Vorhaben zugrunde.

  • Erstens: Die Bastion des deutschen Rundfunk-und Fernsehfachhandels war längst noch nicht sturmreif geschossen, so wie das die Verfechter der „Cash and Carry"-Philosophie gerne gesehen hätten. Noch immer lief der Großteil der Verkäufe über das Fachgeschäft. Dort stand ein aus allen führenden Marken zusammengesetztes Sortiment. Dort war sich ein Interessent der fachmännischen Beratung sicher. Dort arbeitete ausgebildetes Personal in modern eingerichteten Service-Werkstätten, Spezialisten, die das Gerät in der Wohnung des Käufers installierten, die eine Antenne bauen und einen defekten Apparat reparieren konnten.
  • Zweitens: In der Regel verkauft ein Fachhändler das Fabrikat, an dem er am meisten verdient. Selbst wenn ein Kunde den Laden mit der Absicht betritt, nichts anderes als ein Gerät seiner bevorzugten Marke zu kaufen, so dreht ihn ein geschickter Verkäufer um, wenn diese Marke eben nicht zu den Favoriten des betreffenden Händlers zählt. So war es damals, und so ist es auch noch heute.

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SABAs Chancen lagen nach wie vor im Fachhandel

Obwohl der Fachhandel noch immer als der mit Abstand bedeutendste Abnehmer der Industrie eingestuft werden mußte, es ging ihm bei weitem nicht mehr so gut wie in den goldenen fünziger Jahren. Man war sauer auf die Hersteller, auf deren idiotische Überproduktion, der man durchaus zu Recht die Schuld am Zerfall der Preise und Handelsspannen in die Schuhe schob. Und hier sah ich SABAs Chancen.

Wenn es gelänge, ein klares Zeichen zu setzen, den Fachhandel durch eine grundlegende Reform unserer Vertriebspolitik davon zu überzeugen, daß SABA-Geräte zukünftig nur und ausschließlich noch über ihn an den Mann gebracht werden dürften, er also keinen, seine Handelsspanne demontierenden Wettbewerb unbequemer Außenseiter mehr zu fürchten hätte - dann wäre vieles gewonnen.

Mein Mut zum Risiko durch unpopuläre Maßnahmen

Ich war mir von Anfang an darüber im klaren, daß die Durchsetzung dieses Vorhabens viel Standvermögen abverlangen würde. Einschneidende, ja höchst unpopuläre Maßnahmen mußten ergriffen und natürlich auch das Risiko eines Fehlschlags in Kauf genommen werden. Doch je länger ich darüber nachdachte, um so sicherer wurde ich mir.

Und wieder war es Alfred Liebetrau, er begriff sofort

Anfang 1962 machte ich mich zusammen mit einem kleinen, zu strengstem Stillschweigen verdonnerten Team an die Arbeit. Alfred Liebetrau war der erste, den ich mit meinen Absichten vertraut machte. Er begriff sofort. Er gab mir Rückendeckung und begann mit der Planung. Das größte Problem lag beim Großhandel. Diese Handelsstufe durfte schon deshalb nicht umgangen werden, weil sie Funktionen wahrnahm, auf die ein Privatunternehmen wie SABA nicht verzichten konnte.

Wir brauchten den Rundfunk- und Fernsehfachgroßhandel

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern besaß der Rundfunk- und Fernsehfachgroßhandel in der Bundesrepublik eine starke Position. Landauf, landab belieferte er den Einzelhandel über ein feinverästeltes Betriebsnetz und übernahm damit die Verteilerrolle für all jene Hersteller, die sich eine solch kostspielige Vertriebsorganisation in eigener Regie nicht erlauben konnten. Der Großhandel leistete aber auch einen willkommenen Finanzierungsbeitrag, denn er disponierte im voraus. Er bezahlte die georderte Ware und lagerte sie ein.

Die Kehrseite der Medallie

Soweit, so gut, wenn nicht auch auf der Großhandelsebene ein wilder Wettbewerb vom Zaun gebrochen worden wäre. Störenfriede schlichen sich ein und ihre Zahl wuchs ständig. Diese Herrschaften gaben sich zwar als Grossisten aus, sie dachten aber nicht daran, jene Funktion wahrzunehmen, für die ihnen der Lieferant eine Handelsspanne von im Schnitt immerhin vierzig Prozent auf den Bruttopreis zugestand. Stattdessen verscherbelten sie die Geräte auf die Schnelle. Sie stopften Discounter und Cash- and Carry-Läden voll, trieben einen schwunghaften Belegschaftshandel, verkauften an Private oder verschoben die Ware lastwagenweise ins Ausland.

Eine ernüchternde Bestandsaufnahme

Eine Durchleuchtung der 870 Großhändler, über die 80 Prozent des Inlandsumsatzes von SABA abgewickelt wurden, zeigte ein erschreckendes Bild. Die Mehrzahl gehörte zu der Kategorie der Pseudo-Grossisten, also zu jenen Geschäftemachern, die sich einen Dreck um die Interessen des Facheinzelhandels kümmerten. Und hier setzten wir das Skalpell an.

Mai 1962 - SABA-Außendienst Klausur-Tagung

Am 18. Mai 1962 rief ich alle Mitarbeiter des SABA-Außendienstes zu einer Klausur-Tagung zusammen und verkündete vor verdutzten Gesichtern die SABA-Vertriebsreform. Entsetzen machte sich breit, als ich bekannt gab, daß 740 Großhändler auf der Abnehmerliste ersatzlos zu streichen seien.
„Diese Radikalkur überleben wir nicht", riefen einige und teilten damit die Meinung der auch in der Chef-Etage vorherrschenden Opposition. Ich ließ den ersten Schock etwas abklingen, und nachdem sich die Gemüter wieder einigermaßen beruhigt hatten, begann ich das Reformwerk im einzelnen zu erklären.

130 Grossisten blieben übrig - von 740

Die übriggebliebenen 130 Grossisten stellten hinsichtlich Umsatzgröße, Bonität und Vertriebspotenz die Creme des funktionsechten Fachgroßhandels dar. Sie wurden aber nicht nur nach diesen Gesichtspunkten ausgewählt. Auch ihr geographischer Standort stellte ein wichtiges Kriterium dar, weil ich Überschneidungen vermeiden und den zukünftigen Vertragsgroßhändlern eine regionale Exklusivität anbieten wollte.

Unser neuer Vertriebsbindungsvertrag

Zwingende Voraussetzung für die Aufnahme in die SABA-Grossistenloge war die Unterzeichnung des Vertriebsbindungsvertrages. Mit seiner Unterschrift verpflichtete sich der Großhändler, nur solche Einzelhandelsgeschäfte mit SABA-Erzeugnissen zu beliefern, deren Umsatz überwiegend auf dem Verkauf von Rundfunk- und Fernsehgeräten beruhte, der einen einwandfreien Kundendienst durch eine moderne Reparaturwerkstatt gewährleistete und eine zur Vorführung geeignete offene Verkaufsstelle unterhielt. Er verpflichtete sich darüberhinaus, unsere Geräte nicht an andere Großhändler, nicht an Endverbraucher und nicht an solche Firmen weiterzugeben, die von SABA gesperrt worden waren, weil sie die Voraussetzung der Vertriebsbindung nicht erfüllt hatten.

Ein heißes Eisen ....

denn zu den von jeder Belieferung ausgeschlossenen Firmen zählten die Kauf- und Warenhäuser, Versand- und Möbelgeschäfte, Konsumgenossenschaften, die Ratio-Märkte, Cash- and Carry-Unternehmen und auch solche, die bei Vorlage sogenannter Einkaufskarten oder Bezugsscheine Verkäufe an Private tätigten.

Die neuen Verträge für juristisch in Ordnung befunden

Obwohl ich die Zulässigkeit unseres Sperrfeuers von Spezialisten im Kartellrecht hatte begutachten lassen und keinerlei Gewissensbisse verspürte, erwartete ich eine heftige Gegenwehr der sich durch unser Vorgehen diskreminiert fühlenden Gruppen. Und so war es auch. Schon wenige Wochen später flatterte eine Vorladung des Bundeskartellamtes auf meinen Schreibtisch.

Laut Kartellamt war alles sachlich gerechtfertigt

Ich flog nach Berlin und stand Rede und Antwort. Die Prozedur dauerte mehrere Tage. Es ging dabei gar nicht um die Vertriebsbindung als solche, denn das Amt vertrat die Auffassung, daß sie im Fall SABA sachlich gerechtfertigt sei. Was die Kartellwächter aber forderten, war der hieb- und stichfeste Nachweis, daß wir unsere Vertriebsbindung laufend überwachen und lückenlos praktizieren konnten.

Jetzt als Wink von ganz oben - wir hätten Feinde

Dieser Nachweis gelang mir, vorerst allerdings nur verbal. Ich müsse da verdammt gut aufpassen, meinte einer der am Kreuzverhör beteiligten Beamten beinahe jovial. SABA hätte sich neuerdings eine Menge Feinde eingehandelt. Seine Behörde müßte diese Vertriebsbindung zu Fall bringen, würde auch nur einem der Gegner der Beweis gelingen, daß unser Abwehrdispositiv brüchig sei.

Und sie machten alle mit - alle 130 Grossisten

Sofort nach meiner Rückkehr ließ ich die Rechtsabteilung verstärken. Dann packte ich wieder meine Koffer und begab mich auf meine erste Großhandels-Rundreise, bei der ich mit allen auserwählten Grossisten zusammentraf. Die Resonanz war geradezu phantastisch. Nicht einer, der sich vor der Vertragsunterzeichnung scheute, trotz Androhung von Liefersperren und Geldstrafen im Fall eines Vertragsbruchs. Auch gegen unsere kommerziellen Forderungen erhob sich kein Einspruch, und das erschien mir fast noch erstaunlicher. Mit der rein juristischen Verpflichtung war es nämlich für den betreffenden Großhändler allein nicht getan. Nur wenn er auch bereit war, zweimal im Kalenderjahr eine über je sechs Monate dauernde Abnahme- verpflichtung einzugehen, wurde er in den priveligierten Stand eines SABA-Vertragsgroßhändlers erhoben.

Der SABA „Großhandelsbeirat"

Damit der geforderte Abschluß dieser Lieferverträge nicht als einseitiges Diktat interpretiert werden konnte, räumte ich den Vertragsgrossisten ein Mitspracherecht bei der Festlegung unseres Produktionsprogramms, bei der Preispolitik und bei der Formgestaltung der neu auf den Markt kommenden Geräte ein. Zu diesem Zweck wählten die Grossisten Vertrauensmänner aus ihren Reihen, besonders marktnahe Experten, die sich im sogenannten „Großhandelsbeirat" zusammenfanden.

Erfolg - Vorschläge und Korrekturwünsche durch die Beiräte

Diesem Team stellten wir dann die in den Labors entwickelten und von unseren Designern gestalteten Prototypen vor. Natürlich bestand immer die Gefahr einer Indiskretion, daß irgendeiner der Berater nicht dicht hielt und der Konkurrenz Informationen zuspielte. Dieses Risiko wurde aber durch die wichtigen Vorschläge und Korrekturwünsche der Beiräte mehr als aufgewogen. Im übrigen legten wir mitunter nicht alle Karten auf den Tisch. Das eine oder andere Trumpf-As blieb halt dann im Ärmel stecken.

SABA Partner direkt am Entscheidungsprozeß beteiligt

Doch damit nicht genug. Nachdem das neue Programm den Wünschen des Beirats angepaßt war, packten wir die ganze Produktionspalette auf einen großen Lastwagen und zogen damit durch die Lande. Auf regionalen Tagungen wurden die Neuheiten jetzt allen Vertrags-Grossisten vorgestellt und noch einmal hinsichtlich Form, Technik, Preis und Menge diskutiert. Unsere Abnehmer erhielten so das Gefühl, an einem Entscheidungsprozeß aktiv mitgewirkt zu haben. Ein psychologisches Moment, das sich bei den anschließenden Liefervertragsverhandlungen als sehr nützlich herausstellen sollte. Der Großhändler tätigte seine Abschlüsse mit SABA in der Gewißheit, kein unüberschaubares Risiko einzugehen. Er selbst hatte ja dafür gesorgt, daß es sich dabei um marktnahe, also auch gut verkäufliche Produkte handelte.

Ein Planungs- und Steuerungsinstrument von Wert

Für das Unternehmen erwies sich das neue System als ein Planungs- und Steuerungsinstrument von unschätzbarem Wert. Das durch die Lieferverträge abgedeckte Produktionsvolumen stellte eine gesicherte Größe dar. Infolgedessen war es möglich, den Fertigungsausstoß entsprechend anzupassen. Wir fertigten nicht mehr an der Aufnahmefähigkeit des Markts vorbei und vermieden damit verlustreiche Ausverkäufe nicht absetzbarer Geräte.

Auch unser Liquiditätsproblem war gelöst - vorläufig

Ein anderer, ebenso unschätzbarer Vorteil aber machte sich auf dem Finanzsektor bemerkbar. Da wir es jetzt nur noch mit solventen, besonders zahlungskräftigen Großhandelsfirmen zu tun hatten, flossen die Mittel wesentlich schneller wieder zurück. Unsere Hausbanken sahen es mit Wohlgefallen. Obwohl das alles recht gut aussah und der Fachhandel unseren mutigen Alleingang beifällig begrüßte, traute ich dem Frieden noch nicht. Nach außen hin spielte ich den Optimisten. Ich gab mich gelassen. Aber es fiel mir schwer, meine Anspannung zu verbergen.

Von jetzt an fast nur noch auf Achse

Ich befand mich fast nur noch auf Achse, beobachtete die Reaktion auf unser Vorgehen vor Ort, überzeugte die noch wankelmütigen Händler, diskutierte mit neugierig gewordenen Journalisten und rührte die Werbetrommel bei jeder nur passenden Gelegenheit. Meine Kinder sah ich nur noch stundenweise. Von einem harmonischen Familienleben war keine Rede mehr.

Die Feinde formierten sich

Und immer wieder läuteten die Alarmglocken. Den sich brüskiert fühlenden Warenhauskonzernen schien jedes Mittel recht zu sein, um die Vertriebsbindung aufs Kreuz zu legen. Zuerst hielt ich es für ein Gerücht, doch dann überzeugte ich mich selbst: Bei Kaufhof, Karstadt, Horten und Konsorten standen plötzlich wieder SABA-Geräte in den Regalen! Wo, zum Teufel, kamen die her? Die Kisten standen nicht lange dort. Ich ließ sie sofort wieder herauskaufen, und SABAs Juristen machten Überstunden.

Warenhäuser kauften bei unserem Fachhandel Geräte

Es dauerte nur wenige Tage, und wir wußten Bescheid. Die Warenhäuser hatten ganze Mannschaften zusammengestellt, sie mit Bargeld ausgestattet und in die Fachgeschäfte geschickt. Dort waren sie dann als harmlose Privatleute aufgetreten und hatten SABA-Apparate gekauft, immer nur einen pro Mann natürlich, damit der Händler keine Lunte roch.

„Der Spiegel" nahm sich der Sache an

Die Geschichte schlug hohe Wellen. „Der Spiegel" nahm sich der Sache an und berichtete genüßlich über die Wut der Warenhausbosse auf ein mittelständisches Unternehmen, das es wagte, ihnen den Stuhl so respektlos vor die Tür zu stellen. Der war Gold wert.

Unsere Händler hatten kapiert, was ein Partner ist

Spätestens jetzt mußte der Fachhandel eigentlich begriffen haben, was da so alles hinter den Kulissen gespielt wurde und wie weit wir uns für ihn vorgewagt hatten. Jedenfalls freute ich mich über diese unverhoffte Schützenhilfe und verlängerte umgehend mein „Spiegel"- Abonnement.

Ende 1962 lag das Gröbste hinter uns.

Die Angreifer ließen allmählich von SABA ab. Die Stellung hatte gehalten. Erste kommerzielle Erfolge kamen zum Vorschein. Das umfangreiche Branchentief schien uns nur gestreift zu haben. Der befürchtete Umsatzeinbruch war ausgeblieben, Kurzarbeit oder Entlassungen standen nicht zur Debatte. Die Mitarbeiter atmeten auf, denn natürlich zeigten auch sie sich über SABAs scharfen Ritt besorgt. Informationen darüber erhielten sie aus erster Hand. Auf Betriebsversamm- lungen und im Werksfunk, der in allen Abteilungen gehört werden konnte, sprach ich über die Vertriebsreform. In der monatlich erscheinenden Hauszeitschrift „SABA-Post" schrieb ich über die Zusammenhänge und Ziele dieser der Existenzsicherung dienenden Marktpolitik.

Auch im Betrieb - Wir sind Partner

Es wird immer wieder behauptet, daß der sogenannte „einfache Arbeiter" nicht über seine Lohntüte hinausschauen will, und er auch deshalb kein Interesse habe, sich mit dem Unternehmen seines Arbeitgebers zu identifizieren. - Das stimmt nicht. - Wie soll er denn Verständnis für die Belange seiner Firma aufbringen, wenn er außer den auf seinen Arbeitsplatz bezogenen Weisungen des Vorgesetzten so gut wie nichts erfährt? Viele Geschäftsleitungen vernachlässigen das so wichtige innerbetriebliche Informationswesen sträflich. Sie ärgern sich aber andererseits über die einseitige, gegen sie gerichtete Stimmungsmache der Gewerkschaften.

Gegen externe Gewerkschaftsfunktionäre "gepunktet"

Ich habe mich immer bemüht, den Betriebsrat wie die ganze Belegschaft so umfassend wie möglich ins Bild zu setzen, ihnen SABAs Probleme und unternehmenspolitische Ziele mit offenem Visier vor Augen zu führen. Schlecht bin ich dabei nie gefahren - im Gegenteil. Für so manche unpopuläre Maßnahme fand ich Verständnis. Man konnte miteinander reden, ohne sich gleich an den Kragen zu gehen. Nie kam es zu verhärteten Fronten oder gar zu Streiks. Ich scheute auch nicht davor zurück, mich vor versammelter Mannschaft mit betriebsfremden Gewerkschaftsfunktionären anzulegen, ihrer antrainierter Dialektik mit sachlichen Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Sabanesen genossen diese rhetorischen Boxkämpfe mit sichtlichem Vergnügen und zeigten unverhohlene Freude, wenn es mir gelang, als Sieger nach Punkten aus dem Ring zu gehen.

1963 fing vielversprechend an.

Die mit unseren Großhändlern für das erste Halbjahr abgeschlossenen Lieferverträge beinhalteten eine Umsatzsteigerung von mehr als zehn Prozent. Unser Durchstehvermögen zeigte die ersten Früchte. Der Fachhandel begann, unseren Alleingang zu honorieren und seine Einkäufe mehr und mehr auf unser Fabrikat zu verlagern. Da es für SABA-Geräte keinen grauen Markt mehr gab, konnte er dafür nicht nur kostendeckende Preise erlösen, es blieb auch unter dem Strich noch etwas übrig. Daß unsere Apparate teurer waren als die der Konkurrenz, störte die Händler wenig. Schwarzwälder Präzision und Qualität habe eben ihren Preis, so argumentierten sie den Käufern gegenüber. Für einen Mercedes müsse man ja auch mehr bezahlen als für einen Opel.

Wieder die Preisbindung der zweiten Hand einführen

Der Kurs schien zu stimmen. Wir konnten die Schlagzahl erhöhen, die Fertigung aufgrund der fülliger gewordenen Lieferverträge anheben, ohne noch in unkalkulierbare Lagerrisiken hineinzulaufen. Jetzt galt es am Ball zu bleiben, unsere Sonderstellung auszubauen, dem Fachhandel mit gezielten Werbeaktionen unter die Arme zu greifen und ihm den Gewinn durch die Wiedereinführung der Preisbindung der zweiten Hand zu garantieren. Dieser nächste Schritt erforderte umfangreiche Vorbereitungen juristischer und organisatorischer Art. Eine hieb- und stichfeste Bindung der Preise setzte unter anderem voraus, daß jedem SABA-Händler ein Revers zur Unterschrift vorgelegt werden mußte, mit der er sich zur Einhaltung der dann vorgeschriebenen Bruttopreise verpflichtete.

Mit Erfolg zum technischen K.O.

SABAs Marktanteil wuchs, während die in Anspruch genommenen Kredite gleich blieben. Zuversicht machte sich breit. Das Ziel, bis zum Start des Farbfernsehens durchzuhalten, rückte näher. 1964 betrug der Jahresumsatz 140 Millionen Mark, das waren beachtliche 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Unsere Konkurrenz konnte mit solchen Steigerungsraten nicht annähernd aufwarten. Sicher, einige Mitbewerber veröffentlichten wesentlich höhere Umsatzzahlen. Ich wußte aber, daß sich deren Umsatzrendite deutlich unter der unsrigen bewegte. Der eine oder andere schrieb sogar rote Zahlen.

1964 - Nicht nur meine Tochter Barbara wurde geboren ...

1964 kam nicht nur meine Tochter Barbara auf die Welt - nach Kathrin, Christoph und Christiane nun mein viertes Kind. Auch SABA gebar ein neues Kind, das SABAmobil.

Immer Ärger mit dem Autoradio

Ich ärgerte mich immer über den schlechten Rundfunkempfang beim Autofahren. Die Sendungen, die auf Mittelwelle ausgestrahlt wurden, unterlagen den unterschiedlichsten Störungen. War ein Gewitter oder eine Hochspannungsleitung in der Nähe, hörte es sich im Lautsprecher wie ein Platzregen an. Auf UKW ging es zwar besser, doch kaum hatte man eine gute Station erwischt und einige Kilometer zurückgelegt, befand man sich wieder außerhalb der ultrakurzen Wellen des betreffenden Senders und die Kurbelei begann von neuem. Philips versuchte das Problem mit Hilfe eines Autoplattenspielers zu lösen. Doch das Ding war schon deshalb ein Flop, weil darauf nur Singles abgespielt werden konnten. Nach drei Minuten ging der Musikgenuß zu Ende, dann mußte die Platte entweder umgedreht oder eben eine neue aufgelegt werden.

Das SABAmobil

Warum eigentlich sollte es nicht möglich sein, ein kleines, im Auto verwendbares Tonbandgerät zu bauen, möglichst mit einer einfach zu handhabenden Kassette? Ich besprach die Idee mit meinem Bruder. Der wiederum setzte sich mit Franz Dobesch, SABAs Tonbandgeräte-Entwickler zusammen. Allerdings gab es einen Haken. Ein Auto ist während der Fahrt unterschiedlich gerichteten Bewegungen ausgesetzt. Sie machen sich besonders beim Beschleunigen, auf schlechten Straßen oder in den Kurven bemerkbar. Die Wiedergabequalität eines Tonbandgerätes wiederum ist von einem möglichst ungestörten Gleichlauf abhängig. Jede Erschütterung beeinträchtigt dieses Gleichlaufverhalten. Dem Hörer kommt es dann so vor, als ob das Gerät zu jaulen beginnt.

Dieses Tonbandgerät muß im Auto funktionieren

Es ging also darum, einen Antrieb zu entwickeln, der sowohl gegen vertikal wie horizontal angreifende Kräfte immun war. Dobesch und seinen Mitarbeitern gelang das Kunststück. Schon als ich eines der ersten Geräte in meinem Wagen ausprobierte und damit über Stock und Stein fuhr, war ich begeistert. Die Qualität der Wiedergabe übertraf meine Erwartungen bei weitem. Überhaupt, das ganze Gerätekonzept sah nach einem großen Wurf aus.

Ein damals geniales Konzept

Der Bandmechanismus befand sich zusammen mit einem Rundfunkempfangsteil im Inneren eines schick gestalteten tragbaren Gehäuses. Die Kassette beherbergte ein vierspuriges Tonband mit einer Spieldauer von zwei Stunden. Der Hörer hatte also die Wahl zwischen vier jeweils dreißigminütigen Programmen. Unter dem Armaturenbrett des Wagens saß die Autohalterung, in die das SABAmobil mit einem simplen Handgriff hineingeschoben wurde. Das Gerät war damit an das Bordnetz und an die Autoantenne angeschlossen. Nahm man das SABAmobil mit ins Freie oder auf eine Party, sorgten Monozellen oder ein Netzteil für die erforderliche Betriebsspannung. Die Firma Ariola lieferte das Musikrepertoire. Wer aber zu Hause bereits ein Tonbandgerät und einen Plattenspieler besaß, konnte sich sein eigenes Musikprogramm zusammenstellen und auf die SABAmobil-Kassette überspielen.

Hoch gelobt - SABAs Erfindungsgeist

Die Einführungskampagne begann mit einer Reihe von Pressekonferenzen. Das SABAmobil fand ein begeistertes Echo. Die Journalisten der Fach- und Tagespresse lobten SABAs Erfindungsgeist und feierten das neue Produkt als das „erste Tonband-Radiokombi" der Welt. Ein gelungener Start. Trotzdem blieben wir vorsichtig. Zu vorsichtig, denn die Nachfrage überstieg schon bald die für das erste Jahr geplante Produktion.

Die Konkurrenz schlief nicht

Das SABAmobil verschaffte uns die begehrte Alleinstellung auf dem Markt. Wie lange dieses Monopol aber verteidigt werden konnte, stand auf einem anderen Blatt. Indiskrete Lieferanten spielten uns Informationen zu, wonach sich auch bei der Konkurrenz einiges tat. Grundig, vor allem aber Philips hatten Minirekorder mit neuartigen Kompaktkassetten in der Mache, mit denen nicht nur abgespielt, sondern auch aufgenommen werden konnte. Die Abmessungen dieser Rekorder waren so klein, daß sie einschließlich des Rundfunkteils in das von den Automobil-Herstellern für den Einbau eines Autoradios vorgesehene Fach hineinpaßten.

Ich machte mir keine Illusionen.

Diesem Großangriff würde unser SABAmobil auf die Dauer nicht standhalten können. Es galt also, die Zeit bis dahin so gut wie irgend möglich zu nutzen, um dann zu einem geordneten Rückzug zu blasen. Immerhin, das SABAmobil-Geschäft lebte drei Jahre lang recht gut, dann wurde es allmählich von der inzwischen zum Weltstandard erhobenen Kompaktkassette abgelöst.

1964 - Inzwischen war "Stereo" am Anrollen

Mit der Einführung der Stereo-Wiedergabe im UKW-Rundfunk erlebte das Radio, vom Fernsehen inzwischen stark in den Hintergrund gedrängt, eine kleine Renaissance. Schon ein Jahr darauf, 1964, strahlten in der Bundesrepublik sieben Rundfunkanstalten über 33 UKW-Sender Stereo-Programme aus. Das neue Klangerlebnis beeindruckte die Musikliebhaber so sehr, daß viele ihre alten „Dampfradios" in die Ecke stellten und sich neue Stereo-Geräte oder eine der noch seltenen, weil teuren HiFi-Anlagen leisteten. SABA spielte auf diesem Sektor eine marktführende Rolle. Man schätzte unsere Geräte als die hochwertigsten ein, und natürlich profitierten wir dabei auch von unserem über viele Jahrzehnte gewachsenen SABA-Radio-Image.

Anmkerkung :

Dieser obige Absatz über die SABA Stereogeräte mag zwar dem Stand (bzw. Produktionswert) der Radio- und Hifi- Geräte im SABA Werk angemessen sein, doch in der Hifi-Branche verdient er weit mehr herausgehoben zu werden - und vor allem auch ausführlich dargestellt zu werden. Denn SABA tat sich in 1965 mit Klein + Hummel zusammen und vertrieb damit deren Telewatt Geräte und setzte Welt-Markt-Standards.

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Welches Farb-Fernsehen wird denn jetzt kommen ?

Inzwischen war es höchste Zeit, mit dem Countdown für den 1967 geplanten Beginn des Farbfernsehens zu beginnen. Entwicklungsingenieure, Konstrukteure, Fertigungstechniker - überall saßen sie in den Startlöchern und warteten ungeduldig auf die Entscheidung über eine einheitliche europäische Farbfernsehnorm.

Zur Wahl standen unterschiedliche Systeme. Die Amerikaner priesen eine auf 625 Zeilen umgetrimmte NTSC-Technik an, darüberhinaus gab es das von den Franzosen entwickelte SECAM-Verfahren und schließlich auch PAL, eine von Dr. Bruch bei Telefunken wesentlich verbesserte Version des NTSC-Konzeptes.

Unsere "Freunde", die Franzosen schiessen quer

Der Entscheidungsprozeß zog sich schon deshalb in die Länge, weil einer Einigung handfeste politische und wirtschaftliche Interessen entgegenstanden. Erst im April 1965 trafen Fernsehexperten aus aller Welt zu einer Tagung in Wien zusammen, um eine auf rein sachtechnischen Gesichtspunkten beruhende Empfehlung zu erarbeiten. Doch daraus wurde nichts. Wenige Tage vor dem Beginn der Wiener Konferenz platzte eine Bombe. Frankreich und die Sowjetunion gaben den Abschluß eines Vertrages bekannt, wonach in beiden Staaten und damit natürlich auch in den übrigen Ostblock-Ländern SECAM zum Zuge kommen sollte.

Es war eine politische Provokation

Warum dieser so ungewöhnliche wie provokante Schulterschluß? Zunächst vermutete man hinter dem Bündnis den Versuch, die nationalen Entscheidungsgremien zu erpressen, ihnen keine andere Wahl mehr zu lassen, als SECAM auf den europäischen Thron zu heben. Doch daran dachte man weder in Moskau noch in Paris. Im Gegenteil, die Taktiker rechneten fest mit einer Trotzreaktion der sich geleimt fühlenden Länder, und die erfolgte auch prompt. Großbritannien entschied sich für NTSC, die skandinavischen Staaten, Italien, die Schweiz, Österreich und die Bundesrepublik für PAL. Eine große Chance war verspielt. Statt die Grenzen im europäischen Äther abzubauen, kamen neue hinzu.

Bei Telefunken knallten daraufhin die Sektkorken.

Für die sowjetisch-französische Kabale gab es zwei Gründe. Protektionismus auf französischer Seite, also Schutz der einheimischen Industrie vor teutonischen Importen, während die Sowjets darauf abzielten, ihre an die Bundesrepublik und Österreich angrenzenden Satelliten gegen westliche Fernsehsendungen abzuschotten. Bei Telefunken aber knallten die Sektkorken. Selbst vorsichtige Hochrechnungen der aus der Vergabe der PAL-Lizenz zu erwartenden Einnahmen versprachen das Geschäft des Jahrhunderts.

Die Japaner aber waren intelligent und geduldig

Die Japaner spielten bei diesem Systempoker die amerikanische Karte. Sie entschieden sich nicht nur für NTSC, sondern auch für die in den USA geltende 525-Zeilennorm und verzichteten damit auf das technisch eindeutig bessere PAL- oder SECAM-Verfahren. Warum wohl? Es war der amerikanische Fernsehgerätemarkt, den die japanische Industrie ins Visier zu nehmen begann.

Mit welchen Folgen, das erkannte die amerikanische TV-Industrie erst, als ein Hersteller nach dem anderen die Waffen streckte und seine Fabriktore schloß. Man hatte die Japaner völlig unterschätzt, ihnen allenfalls zugetraut, westliche Technologien zu kopieren. Was für eine Fehleinschätzung!

Sie waren nicht billig, sie waren einfach nur "gut"

Sie eroberten den amerikanischen Markt nicht deshalb, weil sie so billig waren, wie immer entschuldigend behauptet wurde. Das Geheimnis des japanischen Triumphes bestand in der hervorragenden Qualität und der technischen Überlegenheit ihrer Erzeugnisse. Das Pearl Harbor der amerikanischen Unterhaltungselektronik hätte die Europäer eigentlich warnen müssen. Doch auch sie nahmen die japanische Herausforderung viel zu lange auf die leichte Schulter.

Der englische und französische Markt wurde schwierig

Als Folge des Systemkrieges sahen sich die deutschen Fernsehgeräte-Hersteller vor die Tore des englischen und französischen Marktes gestellt. Parallel zu PAL auch noch Farbfernseher a la SECAM oder NTSC zu entwickeln und die hohen, für separate Fertigungslinien erforderlichen Investitionen in Kauf zu nehmen, diese Rechnung wäre nur bei Stückzahlen aufgegangen, die weder der französische noch der englische Markt verkraftet hätte. Hinzu kam, daß Großbritannien damals noch nicht der EWG, sondern der Europäischen Freihandelszone EFTA angehörte und die Einfuhren aus den Ländern der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit hohen Zöllen befrachtete. Daß SABA trotzdem Schwarzweiß-Fernseher in England zu konkurrenzfähigen Preisen verkaufen konnte, war nur durch einen Trick möglich. Wir gingen in das EFTA-Land Schweiz, mieteten eine kleine Fertigungshalle und bauten dort die für England bestimmten Geräte mit aus dem EFTA-Raum stammenden Einzelteilen zusammen.

Also "flog" ich durch Europa

Mitte der sechziger Jahre betrug SABAs Exportanteil am Gesamtumsatz magere 15%. Hier mußte etwas geschehen. Zunächst klapperte ich alle Auslandsvertretungen ab, wenn möglich, mit dem eigenen Flugzeug. Ob ich mir da nicht etwas zuviel zumute, fragte man mich des öfteren. Natürlich erforderte die Fliegerei auf den Luftstraßen und nach Instrumenten viel Konzentration. Ein mehrstündiger Turn in schlechtem Wetter, vor allem der sich meist anschließende Anflug im Blindlandeverfahren, das war nicht gerade von Pappe. Trotzdem, die Abwechslung tat mir gut. Sobald ich in der Maschine saß, vergaß ich alle geschäftlichen Probleme.

Protektionismus auch bei unseren anderen "Freunden"

Eine der Ursachen für den schleppenden Auslandsabsatz bestand in kleinen Schikanen technischer Art. Das begann beim simplen Geräte-Stecker "Made in Germany", der fatalerweise weder in englische, italienische noch in sonstige Dosen hineinpaßte. Dann gab es die unterschiedlichsten, staatlich verordneten Sicherheitsvorschriften. Die Skandinavier gebärdeten sich da am schlimmsten. Nur ganz bestimmte, überdimensional isolierte Leitungen durften bei den für die Einfuhr zugelassenen Geräten verwendet werden, und bevor man dort überhaupt das Okay für den Verkauf einer neuen Radio- oder Fernsehgeräte-Type bekam, mußte man sie für teures Geld von einer Prüfungsbehörde begutachten lassen.

Doch viel wichtiger war der "Geschmack" - das Design

Zu den technischen, zum Schutz der einheimischen Industrie aufgerichteten Barrikaden kam ein weiteres Handicap: der unterschiedliche Geschmack. Die vom deutschen Publikum bevorzugten Gehäuseformen wurden von den Schweden, Dänen und Norwegern nicht akzeptiert. Die Franzosen wiederum bevorzugten dunkle, auf Hochglanz polierte und mit viel goldfarbenem Lametta geschmückte Kisten, während die Schweizer helle, porenoffene Edelhölzer favorisierten. Unsere Exportabteilung stand mit den für die Produktion verantwortlichen Herren deswegen oft genug auf Kriegsfuß. „Die schmeißen uns mit ihren ewigen Extrawürsten den ganzen Fertigungsfluß über den Haufen, da wird die Brühe teurer als die Brocken."

Eine unlösbare Kontroverse - in der Familie

Um das Problem in den Griff zu bekommen, benötigten wir nicht nur eine flexiblere Fertigungssteuerung. Unsere Auslandsvertreter mußten aktiver werden, einfach mehr verkaufen, um zu wirtschaftlich vertretbaren Losgrößen zu kommen. Einige von ihnen repräsentierten SABA schon zu meines Großvaters Zeiten. Sie fühlten sich mit der Familie eng verbunden, waren inzwischen aber entweder zu alt oder zu satt geworden, um sich noch ein Bein auszureißen. Ob ich nun wollte oder nicht, freundschaftliche Gefühle hin oder her, wir mußten uns von ihnen trennen. Die Herrschaften reagierten empört. Sie schrieben meiner Mutter bittere Briefe und beklagten sich über ihren undankbaren Sohn. Sie nahm sich das immer sehr zu Herzen, versuchte dann zu vermitteln, und ich hatte es gar nicht leicht, mich vor ihr zu rechtfertigen.

Unser Israel Engagement -
Das ist eine eigene Geschichte .....

.... und die kommt auf einer eigene Seite - aber später.

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Wir bei SABA schlidderten voll in die Krise rein.
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