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(Rückblick im Okt. 2014 von Gert Redlich)

Im August 1967 bekam die Bundesrepublik die Farbe

Und das war ein Meilenstein. Es war ein Meilenstein in jeglicher Hinsicht. Fangen wir an mit der Firma, die uns das PAL schmackhaft machte. Telefunken in Hannover hatte zum Anfang der 1960er Jahre dicke Probleme mit all seinen Produkten. Die Tonbandgeräte liefen nicht mehr so gut, Grundig hatte den Markt voll im Griff. Die Rundfunkgeräte liefen auch nicht mehr so gut, der Wettbewerb war gnadenlos geworden und man brauchte dringend neue Produkte.

Die anderen (kleineren) Firmen hatten noch größere Probleme (finanzieller Art - lesen Sie mal Die SABA Story) und probierten es über den Preis. Denn Vielen fiel nicht mehr viel ein, als die bislang hohen Preise zu unterbieten. Das tat natürlich allen weh, außer Max Grundig, der setzte sowieso nur auf große Stückzahlen und konnte deshalb mithalten - natürlich auch nur mit zusammen gebissenen Lippen, weil auch sein Gewinn bröckelte.

Und dann liefen bei Telefunken die Lizenzzahlungen für alte Patente so langsam aus, das waren Einnahmen, die einfach so kamen - die herein gespült wurden - wie man heute sagt, ohne etwas dafür zu tun, - tun zu müssen. (ELAC mit seinem Patent auf das Magnet-Tonabnehmersystem war auch solch ein Beispiel.) Nur war eben das Ende abzusehen. Telefunken hatte unter anderen auch ein Patent auf das Tonbandgerät mit drei Motoren, aber nur in Deutschland.

Alle deutschen Patente waren nach dem Kriegsende 1945
von den Siegermächten weltweit für nichtig erklärt worden, nur innnerhalb Deutschlands nicht - warum wohl ?
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  • Anmerkung : Dieser obige Satz ist leider völliger Unsinn und war damals in der Funkschau mehrfach so publiziert worden und galt über Jahre als wahr. Das stimmt aber nicht und wird hier auf einer ganz speziellen Seite fundiert erklärt.

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Und Revox/Studer war wiederum eine schweizer Firma, also außen vor. Max Grundig hatte es zeitlebens abgelehnt, "Schmarotzer" zu finanzieren, wie er sich ausdrückte - und er meinte damit auch (und vor allen Dingen) Telefunken.
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Die Japaner waren im Anmarsch

1966/67 gab es bei uns in Mitteleuropa die ersten recht zaghaften Expansionsschritte der Japaner. Die ersten Anzeigen japanischer Produkte haben wir inzwischen fast alle vorliegen. Die hatten zum Beispiel kleine schwarz-weiß Transistor-Fernseher zu unglaublichen Preisen. Das haben natürlich alle gemerkt und darum dem eigentlichen Wettbewerber Telefunken geholfen, "sein" PAL Patent als Basis für Europas Ferbfernsehen durchzuboxen. Denn nur über den neuen Farb-Standard und das PAL Patent hätte man diese "Ausländer" - also die Japaner - ausbremsen können. Das sahen die Franzosen sehr ähnlich und die Engländer auch. Die nordischen Staaten hatten keine richtig großen Hersteller, die im Süden auch nicht, saßen aber auch mit im Boot.

Kurz vor Toresschluß versuchten die Franzosen - besser gesagt - der französische Präsident De Gaulle - im Alleingang mit einem (politisch) linken Trick, zusammen mit den Russen - ihr SECAM am PAL vorbei zu schummeln und den Europäern als Standard zu "diktieren". Es mißlang auf peinliche Art und Weise, und diese - völlig unnötigerweise - aufgerissenen europäischen Gräben konnten über Jahrzehnte nicht mehr zugeschüttet werden.
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PAL von Telefunken und die Qualität von Philips

Die endgültige Entscheidung für PAL fiel irgendwann 1966 (steht auf den PAL Seiten) und nun ging der Run los. Wie von der Tarantel gestochen - mußten von nun an alle Hersteller von Runfunk und Fernsehgeräten in ganz kurzer Zeit marktreife (verkaufsfähige) Fernsehgeräte entwickeln und natürlich zum Stichtag auch in nennenswerten Stückzahlen produziert und vorrätig "haben". Die Fachändler und auch die Kaufhäuser waren da sehr fordernd und kritisch, wenn ihr Lieferant da nicht mitmachte. Die Frage, ob der überhaupt mitmachen konnte, stellte sich nämlich draußen im Markt niemand. Dazu kam die Frage nach dem ach so guten Farbfernseh-Kundendienst dieser neuen Technologie und die stellte sich vehement und kostete die Firmen viel Geld.
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Der schwerwiegendste Effekt - der Umsatz brach ein.

Das Geschäft mit schwarz-weiß Fernsehern dominierte bei zu vielen Firmen die Produktpalette derart, daß geringste Schwankungen im (geplanten) Absatz die ganze Kalulation über den Haufen warfen. Bei manchen mittleren Firmen war der Umsatzeinbruch etwa ab Ende 1964 - als das Farbfernsehen immer näher kam - existenzbedrohend. In der SABA Story von Hermann Brunner-Schwer ist es authentisch nachzulesen, wie stark die Firma SABA davon betroffen war. Und das ist ja nur ein Beispiel einer mittelgroßen 3000 Mann Firma, die anderen Wettbewerber gleicher Größenordnung hatten es auch später nicht publiziert, was hinter den Kulissen wirklich abging.

Und von all dem durften weder die Presse noch die Kunden, also "der Markt", etwas von diesen Problemen mitbekommen. Bei den Gesprächen mit den damals recht arroganten Banken dürfte manchem Inhaber oder Geschäftsführer der Schweiß auf der Stirne gestanden haben.

Die ganze Produkt-Vorentwicklung des jeweiligen ersten neuen Farbfernsehers mußte ja aus den aktuellen Gewinnen vorfinanziert werden.
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Könnte man da damals bereits ein Monopol vermuten ?

Die Bildröhrenhersteller wie Telefunken, ITT-SEL und Philips (Valvo) waren da eindeutig im Vorteil und sie nutzten es auch aus, um unliebsame Konkurrenten zumindest auszubremsen. Natürlich nicht offiziell und schon gar nicht direkt sichtbar, aber man braucht(e) ja nur ein paar "Spezifikationen " - zum Beispiel bei der damals sehr komplexen Ablenkeinheit der neuen Farbbildröhren - leicht falsch oder etwas "mißverständlich" anzugeben und schon hatten die Entwicklungs- Ingenieure der Konkurrenz wieder 2 kostbare Monate in den Sand gesetzt - also verplempert.

Von Telefunken kam das (Farb-) Marketing und von Philips kam das legendäre Gerät "Goya K6". Natürlich hatten auch Grundig, SABA, WEGA, LOEWE, SIEMENS, Schneider, Nordmende, Kuba, Schaub, Neckermann/Körting, Quelle/Universum und wie sie alle hießen, einen ersten Farbfernseher. Doch auch wiederum im Rückblick und im heutigen Vergleich war der Philips Farbfernseher allen anderen ein kleines Stück voraus. Denn die Ingenieure in Breda hatten diesen Vorsprung.
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Im August 1967 standen gerade mal 2000 Farbgeräte "draußen".

Was da später für ein "Gedöns und Brumborium" um den Start der Farbe mit Willy Brandts symbolträchtigen (aber völlig unwichtigen) Knopfdruck gemacht wurde, ist im Nachhinein gesehen, reine Propaganda der in Not geratenen Hersteller gewesen. Nach verläßlichen und glaubwürdigen Aussagen der damaligen Verbände und der damals informierten und glaubwürdigen Journalisten waren bis zum Ene August 1967 gerade mal etwas über 2000 Farbfernsehgeräte an den Handel und ausgewählte Muster-Familien ausgeliefert worden. - Natürlich stand bei den Intendanten der Anstalten solch ein Gerät und auch beim Ingenieur vom Dienst und beim Sendeleiter, aber das waren vielleicht 30 bis 50 von den etwa 2000 bundesdeutschen Farbfernsehern. In den Schaufenstern der größeren Radiofachhändler standen die Geräte (aber meist nur ein Gerät) natürlich auch - weniger auf dem Lande als in der Stadt - und ein Preisschild war auch nur teilweise oben drauf. Denn 3.000 Mark war damals immer noch sehr viel Geld.
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Die Einführung der Farbe war schwierig

Der neue Farbfernseher wurde natürlich heftigst beworben und umworben, zumal die allermeisten Hersteller nur erst mal ein solches "Produkt" in mehreren Varianten anboten. Die Großen wie Grundig mit fast 50% Marktanteil und seiner Grundig Revue als absolut genialem Werbeträger sowie Telefunken und Philips konnten das gut verkaufen - daß es eigentlich nur ein Chassis - dafür mit meheren Ausführungen gab. Doch es fehlte der Kick als Kaufanreiz, ein Ereignis wie die spätere 1972er Olympiade in Deutschland oder eine richtige Weltmeisterschaft.

Warum auch immer diese sogenannten "Sportereignisse" (es waren auch damals bereits große kommerzielle Veranstaltungen) solche magischen Kräfte beim Absatz von Fernsehern entwickeln, von den ehemaligen Mitarbeitern der Fernseh GmbH in Darmstadt bekam ich zu hören, daß vor jeweils einem solchen Event oder Ereignis über Monate Tag und Nacht auf Hochturen gearbeitet und produziert wurde. Danach war dann wieder für manchmal ein halbes Jahr flaute eingekehrt.

Auch hier schreibt der SABA Chef Brunner-Schwer ganz offen, welche dicken Probleme solch ein Auf und Ab für Mittelständler mit sich brachte.
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Zur Olympiade 1972 war es dann geschafft.

Die Deutschen kauften Farbfernseher "wie blöd". Die "Anstalten" schafften Farb-Equipment an ebenfalls "wie blöd". Und bei den Anstalten ging es immer gleich in die Millionen. Und die Hersteller wie AMPEX und die Fese produzierten ebenfalls "wie blöd". Sie erkennen an meinen Wiederholungen, daß das damals bereits alles unreal geworden war. Jedes kleine lokale Fernseh-Studio in der Pampa - man nannte sie die Regionalstudios - konnte nicht mehr in scharz weiß liefern, es mußte jetzt Farbe sein.

Auf die Idee, daß man die wenigen hochspezialisierten Hersteller mit dieser Flut von plötzlichen Auftragen ganz schön in die Bredullie bringen konnte, kam anscheinend niemand. Denn solche Mengen von Aufträgen mußten natürlich auch vorfinanziert werden. Also nicht nur die Hersteller der neuen Farbfernsehgeräte kamen (finanziell) ins Schleudern, auch die Profis sahen sich in einer Zwickmühle.
Zu der Zeit war es in Deutschland bereits schwierig, Personal auf Zeit einzustellen und nach dem Abflauen des Booms die Arbeitsverträge wieder zu beenden. Bei den Profis ging das aufgrund der erforderlichen Fachkenntniss sowieso nicht. Und so gab es "jemanden", der sich darüber sehr gefreut hatte -"den Japaner".

Eigentlich war das der Anfang vom Ende

Die Japaner (oder "der Japaner") bediente von Anfang an den Weltmarkt. In dem Buch von SONY Chef Akio Morita ist das sehr schön erläutert bzw. ausgemalt. Das war den Deutschen Firmen offensichtlich zu mühsam und/oder zu teuer - oder sie hatten es nicht kapiert. Der Vorteil dieser Denkweise war immens. Hatte man in Europa einen Boom, konnte man die Produktion problemlos mal in diese Richtung umschwenken. International fiel das fast nicht auf. Hatte Europa ein Nachfrage- Loch, gab es da den nord- und südamerikanischen Markt und auch noch Kanada und die asiatischen Inselgruppen.

Bei uns in Deutschland (und auch in ganz Europa) folgte einer Nachfrageschwäche immer gleich ein dickes Problem mit der Konjunktur. Als dann auch noch SONY mit seiner Trinitron Bildröhre kam, wurde es richtig eng mit der Nachfrage nach "Deutschen" Farbfernsehgeräten.

Aber den Rest der Geschichte kennen Sie ja noch aus eigenem Erleben oder ?

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