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Ein Artikel aus dem fonoforum Nr. 08 / Aug 1970
"Telefunken und Teldec stellten in Berlin die Bildplatte vor"

Artikel vom Juli 1979 - der Autor hat nur das Kürzel "ihd".
Wohl noch nie hat ein neues Medium schon vor seiner Einführung die Öffentlichkeit so stark beschäftigt wie das sogenannte „Kassetten-Fernsehen", die Speicherung von Bild-Ton-Programmen auf geeigneten Trägern, die mittels eines Zusatzgeräts über den häuslichen Fernseher abgespielt werden können.

Die großen Möglichkeiten, die dieses Medium allein für Bildung und Unterhaltung besitzen wird, die wirtschaftlichen Aspekte angesichts steigender Masseneinkommen und Freizeitgesellschaft (man rechnet für Ende der 70er Jahre mit 13—14 Millionen Farbfernsehern in der Bundesrepublik und einem Video-Umsatz von 1 Milliarde DM in West-Europa) haben zu aufsehenerregenden Aktivitäten auf dem Verlagssektor geführt.

Im technischen Bereich wird indessen mit Hochdruck daran gearbeitet, die vorhandenen Speichersysteme bis Mitte oder Ende nächsten Jahres zur Serienreife zu bringen.

Fünf dieser Systeme bieten sich zur Zeit (Mitte 1970) an:

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  1. das Magnetbandverfahren, das Philips jetzt als VCR-System vorgestellt hat,
  2. die Filmabtastung,
  3. das EVR-Verfahren von CBS,
  4. Selectavision von RCA und, seit ihrer Berliner Weltpremiere am 24. Juni,
  5. die Bildplatte von Telefunken,

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über die als „schnelle Schwester" der Schallplatte hier ausführlicher berichtet werden soll.
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1. Die Magnetaufzeichnung

Das „klassische" Verfahren zum Speichern von Fernsehbildern ist die Magnetaufzeichnung, wie sie 1956 von Ampex für den professionellen Bereich eingeführt wurde. Gegen Mitte der 60er Jahre kamen die ersten Heimaufzeichnungsgeräte heraus, die seither - nicht zuletzt durch die Japaner - immer handlicher und billiger wurden, aber nach wie vor mit „offenem" Band arbeiteten.

2. VCR-System von Philips

Jetzt brachte Philips in seinem VCR-System (steht für Video Cassette Recording) für Europa die ersten Bildbandkassetten heraus, Plastikkästchen im Format 13 x 15 x 3,5cm, die im Inneren zwei Spulen übereinander auf einer Achse mit halbzölligem (12,7mm breitem) Chromdioxydband zum Speichern von rund einer Stunde Programm in Schwarzweiß oder Farbe enthalten. Ein komplettes VCR-Gerät mit eigenem Empfangsteil wird etwa 2000,— DM kosten, ein Abspielgerät für Schwarzweiß 1000,- bis 1200,- DM, für Farbe 1400,- bis 1500,- DM, eine Leerkassette rund 100,- DM. Ebenfalls aus dem professionellen Bereich kommt die Filmabtastung, bei dem als Speichermaterial Super-8 Film verwendet wird, der über eine Punktlichtröhre abgetastet wird. Bildqualität und Gerätepreis entsprechen in etwa VCR, das Filmmaterial ist deutlich teurer. Für die Heimauswertung ist die Entwicklung vor allem von Nordmende vorangetrieben worden („spectracolorvision").

3. Das amerikanische EVR-System

Auf Filmbasis arbeitet auch das amerikanische EVR-System (Electronic Video Recording) von CBS. Der Träger ist ein Film von 8,75mm Breite, auf den zweispurig von einem Elektronenstrahl Bilder in der Größe 2,3x3,3mm aufgebracht und abgetastet werden. Die Kassetten (18 cm Durchmesser) speichern 2x25 Minuten Schwarz-weiß Programm, bei Farbaufzeichnung reduziert sich die Spielzeit auf die Hälfte, da eine Spur für die zusätzliche Farbinformation verwendet wird. Die Bildschärfe von EVR soll etwas besser sein als bei allen anderen Systemen, der Preis für das Abspielgerät soll sich auf etwa 3000,- DM belaufen.

4. Selectavision von RCA

Selectavision von RCA arbeitet mit Laserstrahl und Vidicon. Die Bildinformation wird auf ein Kunststoffband aufgezeichnet und bei der Wiedergabe vom Laserstrahl wieder abgenommen. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in deutlich niedrigeren Kosten für das Band (nur rund 20,- DM pro Spielstunde) und einem wohl ebenfalls etwas billigeren Abspielgerät (rund 1500,-DM). EVR und Selectavision eignen sich im Gegensatz zu VCR nur zur Wiedergabe vorgefertigter Programme.

Speicherprobleme

Technisches Kardinalproblem jeder Bildspeicherung ist es, einen Träger mit der notwendigen Speicherkapazität und einer genügend schnellen „Abrufbarkeit" der aufgezeichneten Signale zu finden. Denn immerhin setzt sich unser Fernsehbild aus 625 Zeilen mit insgesamt etwa einer halben Million Bildpunkten zusammen, die 25mal in der Sekunde erscheinen. Das ergibt eine Folgefrequenz von rund 5 Megahertz, also fünf Millionen Schwingungen pro Sekunde. Selbst wenn man diese obere Grenzfrequenz des Videosignals, wie es für die häusliche Bildspeicherung üblich ist, auf 2,5 bis 3 MHz (nur für EVR werden 4 MHz genannt) reduziert, bleiben noch Anforderungen an den Träger, die mit „normalen" Mitteln nicht zu erfüllen sind.

Schrägführung des Bandes

Daher werden bei VCR die Bildspuren durch Schrägführung des Bandes diagonal aneinandergereiht (jede Spur ist 16cm lang und 0,17mm breit), und der nötige Platz für die vielen Informationen, die unterzubringen sind, wird außerdem dadurch erreicht, daß der Magnetkopf nicht wie beim Tonbandgerät feststeht, sondern auf einer Scheibe rotiert, so daß sich bei einer tatsächlichen Bandgeschwindigkeit von 14,29cm/s eine mehr als 50mal so hohe relative Bandgeschwindigkeit von 8,08 m/s ergibt.

5. Die Bildplatte von Telefunken - die „Dichtspeichertechnik"

Die flexible TED Folie

Die Schallplatte durch ähnliche Listen und Kniffe in eine vollwertige Bildplatte zu verwandeln, schien dagegen ex radice aussichtslos, weil selbst bei Aufzeichnung einer ausreichenden Zahl von Informationen ein Abtaster aufgrund seiner Masse auch im günstigsten Fall nicht viel mehr als 50.000 Schwingungen in der Sekunde abtasten kann. So kamen denn auch Versuche mit der Bildplatte, wie sie schon 1927 der Engländer Baird zuerst unternahm, bis vor kurzem nicht über das Stadium des unvollkommenen Experiments hinaus.

Eduard Schüller und Horst Redlich

Die vier Erfinder der Bildplatte. Von links nach rechts: Dr.-Ing. Gerhard Dickopp, Hans-Joachim Klemp, Direktor Horst Redlich, Dipl.-Ing. Eduard Schüller

Die Erfinder der neuen Bildplatte - unter ihnen Eduard Schüller, der 1935 mit dem „Magnetophon" das der Welt erstes Tonbandgerät vorstellte, und Horst Redlich, dem "Royal Sound Stereo" zu verdanken ist - setzten daher bei ihrer Entwicklung ganz neu an.
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  • Anmerkung: Es waren insgesamt 4 Entwickler, nicht nur die zwei hier genannten Personen.

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Sie gingen von der Tatsache aus, daß die Oberflächenrauheit einer Kunststoffplatte etwa 100 Angström beträgt (das ist der hundertste Teil eines Tausendstel Millimeters!) und überlegten, daß eine Auslenkung von 1u, (also 1 Tausendstel mm) schon um zwei Größenordnungen über dieser Rauheit liegt und daher zur Speicherung von Signalen ausreichen müßte. Die Rillenbreite wurde auf 8u, festgelegt. Um zu einer weiteren Steigerung der Speicherdichte zu kommen, wurde die Frequenzmodulation eingeführt, so daß alle Frequenzen mit der gleichen Auslenkung aufgezeichnet werden. Da dies in Tiefenschrift geschieht, können die Rillen praktisch ohne Steg nebeneinandergelegt werden.
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120 Rillen pro Millimeter

Dichtspeichertechnik im Bild: oben ein Ausschnitt der Oberfläche einer neuen Bildplatte (die Modulation ist zu erkennen an der unterschiedlichen Dichte der „Perlenschnüre"), unten im gleichen Maßstab die Stereorille einer LP.
Druckabtastung in Seitenansicht: die schlittenartige Nadel tastet die Rille ab und drückt die Wellenberge zusammen. Die Entlastung der Kuppen erzeugt eine Druckänderung, die sich dem piezo-keramischen Element mitteilt.

Auf diese Weise sind auf einem Millimeter rund 120 Rillen nebeneinander unterzubringen - das ist etwa das Zehnfache der Rillendichte einer LP. Durch diese neue „Dichtspeichertechnik" wurde es möglich, auf einer Platte von 30cm Durchmesser 3 Milliarden Signale unterzubringen. Benutzt man pro Sekunde 3 Millionen Signale zur Speicherung eines Fernsehbildes, so kommt man auf eine Spieldauer von rund einer Viertelstunde. Damit war es gelungen, eine Platte herzustellen, die eine 100mal größere Informationsdichte pro Quadratmillimeter hat als die LP und auch das Bildband um das 50fache übertrifft: Die „gute alte" Platte erweist sich in ihrer neuen Form nicht nur als bildtüchtig, sie übertrifft an Speicherkapazität offenbar alle anderen bekannten Träger.

Druckabtastung

Völlig neuartig mußte auch die Abtastung dieser Platte ausfallen. Sie funktioniert nach wie vor mechanisch, beruht aber auf dem Prinzip der „Druckabtastung": Da zur Erzielung des nötigen Informationsflusses die Plattendrehzahl trotz Dichtspeichertechnik drastisch von den heute üblichen 33 1/3 U/min auf 1500 U/min (also 25 Umdrehungen in der Sekunde!) erhöht werden mußte, ist eine Abtastung in der bisherigen Art nicht mehr möglich: Keine Nadel kann den schnellen Auslenkungen dieser Aufzeichnung mehr folgen. Der Abtaster bleibt daher praktisch unbewegt in der unter ihm wegrasenden Rille stehen, registriert allerdings die Druckschwankungen, die beim Gleiten über die aufgezeichneten Wellenberge und -täler entstehen. Diese Schwankungen teilen sich einem piezo-keramischen Element mit, von dem aus die entsprechenden elektrischen Spannungsschwankungen abgenommen und weitergeleitet werden.

Die biegsame Kunststoffolie

Die Realisierung dieses Prinzips führte zu folgender Lösung: Die Bildplatte, die aus einer biegsamen Kunststoffolie (ähnlich den „Platten" von Diktiergeräten) besteht, wird auf die Achse des Plattenspielers aufgesteckt. Sie liegt jedoch nicht wie beim konventionellen Schallplattenspieler auf einem Plattenteller auf, sondern wird von einer nur Bobby-großen Scheibe an Stiften gehalten. Statt des Plattentellers besitzt das Gerät eine feststehende, leicht gewölbte Fläche, über die die Platte sich, durch ein dünnes Luftpolster getrennt, bewegt (der Höhenschlag soll sich im Bereich von nur 50u halten).

Mit Tangential-Tonarm

Über der Platte ist das Gerüst für einen „Tangential-Tonarm" montiert, der aber praktisch nur aus einer Laufkatze mit Abtastkopf besteht. Da der Rillenabstand immer gleich bleibt, wird der Arm vom Antrieb des Spielers pro Umdrehung um 8um nach innen transportiert. Und da die Nadel keine Auslenkungen macht, genügt für sie eine Auflagekraft von 0,1 bis 0,2p, also rund ein Fünftel bis ein Zehntel dessen, das ein HiFi-Abtaster erfordert.

Die Nadel als Schlittenkufe

Die Nadel selber sieht von der Seite wie eine Schlittenkufe aus. Wenn sie durch die Rille gleitet, drückt sie durch ihr Gewicht die abgetasteten Wellenberge zusammen, die aber aufgrund der Formung des Abtasters und der Elastizität der Folie (sowie des Luftpolsters unter der Platte) nicht beschädigt werden. Werden nun die „Berge" beim Herauskommen unter der hinteren scharfen Kante des Abnehmers entlastet, so wird diese plötzliche Entlastung registriert und vom Wandlerelement, das zwischen Nadel und Nadelträger sitzt, als elektrisches Signal weitergegeben.

Bildplatte im Vergleich

Hier ist also eine völlig neue Plattentechnik entstanden, die in ihren Möglichkeiten weit über das hinausgeht, das man von der bestimmt nicht unterentwickelten „konventionellen" Technik der Langspielplatte erwarten kann. Welchen Platz sich die neue Bildplatte beim anlaufenden „Wettkampf der Systeme" erobern wird, für welche Programme sie besonders geeignet ist, braucht hier nicht diskutiert zu werden. (Bezeichnend für den Trend ist vielleicht, daß bei der Demonstration von VCR Bildung, Kultur und Eigenaufnahme im Vordergrund standen, bei der Bildplatte Schlager, Nachrichten und Werbung.) Die Bildplatte ist ebenso wie Schallplatte, EVR und Selectavision ein reines Wiedergabemittel, das nicht wie Tonband und VCR das Aufnehmen von Sendungen gestattet.

Die Spieldauer

Ihre Spieldauer ist "begrenzter" als die der anderen Verfahren und wird sich nicht wesentlich steigern lassen - allerdings ist schon jetzt von Plattenwechslern die Rede, die die Wiedergabe mehrstündiger Programme mit kurzen Pausen gestattet. Dafür liegen ihre Stärken im Preislichen und in der Herstellung: Das Abspielgerät wird nur zwischen 500,- und 1000,- DM kosten, und das Kunststoffmaterial für die Platten ist so billig, daß die Materialkosten für eine Spielstunde ein Zehntel der Kosten des Bandes ausmachen (das prinzipiell mögliche zweiseitige Bespielen dürfte sich daher erübrigen).

Die schnelle Vervielfältigung

Last not least: Während bei allen anderen Verfahren das Vervielfältigen immerhin so viel Zeit beansprucht, daß das Verhältnis von Spielzeit zu Kopierzeit kleiner als 50 ist, läßt sich bei der neuen Bildplatte diese Relation auf mehr als 1000 vergrößern. Das würde bedeuten, daß man zum Kopieren einer 21cm Folienplatte mit 5 Minuten Spielzeit im Schnitt weniger als eine halbe Sekunde braucht. Solche Geschwindigkeiten - bei der Schallplatte unvorstellbar - werden offenbar dadurch möglich, daß die Folie der Plattenpresse ähnlich den Papierrollen beim Zeitungsdruck in langen Bahnen zugeführt wird.

Phono-Weiterungen ?

Für den Schallplattenfreund liegt die Frage nahe, ob die neue Technik, die insgesamt eine echte Sensation darstellt, auch in den Phono-Bereich hineinwirken wird und hier womöglich eine Revolution auslöst. Zunächst: Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß die Bildplatte sich sehr viel besser durchsetzen könnte, wenn für Schall- und Bildplatte nur ein einziges Abspielgerät vorhanden zu sein brauchte. Man wird also vermuten dürfen, daß jede echte Chance einer Vereinheitlichung ausgenutzt werden wird, das heißt: Man wird auch Schallplatten in Dichtspeichertechnik machen, wenn sie in Wiedergabequalität und Spieldauer mit der Langspielplatte in Konkurrenz treten können.

Unbestreitbar ist schon jetzt, daß das neue Abspielverfahren trotz der geradezu phantastischen Miniaturisierung der Aufzeichnung überraschend unempfindlich ist: Das Abspielgerät ist einfach und robust, das bei der Schallplatte so bösartige Kratzen über die Rillen ist hier völlig harmlos und kann bei der Bildplatte sogar als „legitimes" Mittel zur Wiederholung kurzer Szenen und Zeitlupe ausgenutzt werden, die Platte selber ist wohl gegen Fett, nicht aber mehr gegen Staub empfindlich, da dessen Partikelchen größer sind als die Rillen und sich daher nicht festsetzen können. Schließlich: Das Verfahren ist in der Lage, vier gleichwertige Tonspuren zu speichern. Wenn nicht alles täuscht, dürfte also die Zukunft der Schallplatte nicht langweilig werden.

Artikel geschrieben im Juli 1970 von "ihd"

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